zum elektrosynthetischen raumdesign von GRAF+ZYX


das künstlerpaar inge GRAF+ZYX arbeitet im multimedialen bereich (film, video, musik, tanz, mode, environment) an einem synthetisch-kosmischen (seit neuestem raum-) design. minimalisierte klangstrukturen aus dem synthesizer werden mit rhythmisierten und verfremdeten video- und filmsequenzen synchronisiert und mit anderen stilistischen versatzstücken zu einer räumlichen einheit arrangiert. dabei werden auch die aus der werbeästhetik gewonnenen medialen erfahrungen in den ambivalenten zwischen-bereich zwischen künstlerischer reflexion und designhafter affirmation übertragen und zu einer synthetischen (medien-) wirklichkeit stilisiert.

gegenwärtig können wir im groben in der kunst zwei orientierungs-schwerpunkte verfolgen: auf der einen seite als antithetische position zu den expansiven tendenzen der siebziger jahre, der rückzug in das traditionelle bildgeviert und auf der anderen seite die ausrichtung auf die angewandten künste, ein phänomen, das man in krisenzeiten der kunst oft antrifft. heute wäre in diesem zusammenhang von einem umfassenderen designbegriff zu sprechen: design im sinne einer universellen gestaltung des gesamten lebensraumes. (1964 forderte schon der österreichische architekt und ehemalige de stijl-künstler frederick kiesler die verlagerung des … brennpunktes unseres interesses vom objekt zum »umraum«.) beiden bereichen, sowohl der »neuen malerei« wie auch der mehr angewandten richtung, ist der affirmative, meist voraussetzungslose zugriff auf das repertoire der reinen formen und stile einerseits der kunstgeschichte, andererseits der trivialen bildwelten der all­tagsästhetik eigen. und bei beiden steigert sich in der exhibitionistischen überfülle des unbeschwerten zitierens und der damit verbundenen entwertung der bedeutungsmäßigen dimension, der ornamental-dekorative wert. innerhalb der abstrakten tendenzen der malerei geschieht dies teils in anlehnung an henri matisse's (welt-) bildlicher vorstellung vom »goldenen zeitalter«; im angewandten bereich ist das phänomen unter anderem im multimedialen mediendesign zu verfolgen – design als universal durchdringende umraumgestaltung. bis vor rund 100 jahren belegte man das mit dem begriff »ornamentik«: ein (moralisch-ethischer) weltbild- oder systemgedanke wurde mit einem einheitlichen und verbindlichen formgedanken (stilwollen) aus dem sich dann ein sichtbarer stil ableiten ließ, verknüpft .
heute beschert uns die expansive entwicklung der mikroelektronik ein global-verkabeltes, all-gegenwärtiges kommunikationssystem, das zunehmend unsichtbar unsere gesamte lebensumgebung und sämtliche lebensbereiche erfaßt. atomisierte, ionisierte, digitalisierte und entmaterialisierte künstliche elektronikwelten, die allzeit und überall abrufbar sein werden, verdrängen langsam die unmittelbare und authentische lebenserfahrung des subjekts. so ist es den teils nicht ganz unzynischen euphorien der technikpropheten zu entnehmen.

das mediale technikdiktat wurde in den siebziger jahren von den medienkünstlern gemäß dem mcluhan'schen leitsatz »the medium is the message« durch reflektierende thematisierung erfahrbar und kritisierbar gemacht. dagegen eignet sich nun eine neue mediengeneration die neuen elektronischen entwicklungen als selbstverständliche gestaltungsmittel mehr spielerisch an. in diesem oben genannten kontext einer elektrodesignten und synthetischen wirklichkeitsproduktion sind auch die multimedialen arbeiten von GRAF+ZYX zu sehen. allerdings wird hier nicht eine hyperrealistische welt, sondern, mit dem griff in die trickkiste der optoelektronischen und filmischen verfremdungseffekte, eine unwirkliche und distanziert eisige sinnlichkeit erzeugt. die sirenenschrillen und chromatischen verzerrungen der videos und die stereotypen klangkompositionen changieren subtil an der schmerzgrenze der sinne und signieren ein ambivalentes »unbehagliches begehren« als »lust am ungenießbaren«. diese affirmative thematisierung der künstlichkeit korrespondiert mit dem umfassenden mediendesign, das vollumfänglich im environmentalen raum zu funktionieren beginnt. in diesem, durch irritationseffekte andeutungsweise auch schwerelos gemachten gefäß soll eine mediale raumzeitvorstellung als elektrosynthetisches dekor, als futuristisch kosmische umraumgestaltung unmittelbar sinnlich, lustvoll erfahrbar gemacht werden.

© MARKUS BRÜDERLIN, wien, anfang juni 1984
raumdynamisches system, in welchem elektronische medien und design als psychische erreger wirksam werden und so subjektabhängige, fiktive objekt- und raumbewegungen entstehen lassen.
konstruktion: 720 x 410 x 280 cm. holz, farbe, objekte, video, musik. idee, konzept, gesamtgestaltung, ausführung und produktion
© GRAF+ZYX
: : :
aus dem katalog zur gleichnamigen ausstellung: »DER TRAUM VOM RAUM«, museum des 20. jahrhunderts wien • 26. juli bis 23. september 1984 • erschienen in der schriftenreihe des museums moderner kunst nr. 23 • herausgegeben von DIETER RONTE • museum moderner kunst
PRESSESPIEGEL 1984:
… Anders der graue Diskothekenraum von GRAF+ZYX: Das Künstlerpaar arbeitet seit 1980 an gemeinsamen künstlerischen Produktionen, wobei das Musikprogramm von ZYX stammt, wie auch im »Grauen Raumtransmitter« im Museum, hier eine Kombination von einem artifiziellen, schiefwinkeligen Raum mit Design, Video und elektronischer Musik. GRAF+ZYX, die im Herbst in einer eigenen Ausstellung in der Galerie Insam zu sehen sind, könnten als die derzeigen Modekünstler bezeichnet werden…

raumtransmitter

 

 

 

 








VIDEO
SWF-DATEI
MIT TON

1.1 MB
01:35 min

GRAF+ZYX 1994. videostill aus der videodokumentation »GRAUER RAUMTRANSMITTER«. 3d-computerrekonstruktion nach einer raumfotografie aus der ausstellung »DER TRAUM VOM RAUM« von franz schachinger 1984.
---

Der »Traum vom Raum«, leider auf das zweidimensionale Photo zusammengestaucht – wer also z.B. den »Grauen Raumtransmitter« von GRAF+ZYX wirklich beurteilen will, muß ins Museum des 20. Jahrhunderts wandern.
aus: »Zwanz'ger Haus: Spaß an Raumträumen, Raumverwirklichungen« von Susanne Neuburger. Wiener Zeitung, 28. August 1984

… Die Wände sind schief, die Decke, der Fußboden schräg und in jenem Farbton gehalten. der Tristesse, Langeweile und Anonymität signalisiert: Grau. Ein futuristischcooler Raum mit einigen Hoffnungstupfern in Farbe: bunte Ornamente aus Papier, an die Wände geklebt. Zwei Fenster in die Zukunft. Sie sind nichts anderes als hochgestellte Videogeräte. Am Bildschirm laufen leuchtende Farbornamente wie am Fließband ab. Dazu Discomusik.
So wie das Künstlerpaar GRAF+ZYX haben sich noch zehn Kollegen aus der bildenden Kunst über Räume und ihre Gestaltung den Kopf zerbrochen beziehungsweise ihre Sehnsucht nach Dreidimensionalität und Raumbildern gestillt…
aus: »Kreativität in der Koje« von Sibylle Fritsch. Profil nr. 31 / 30. Juli 1984
… Das Künstlerpaar GRAF+ZYX bastelt wiederum an einem »elektrosynthetischen Raumprogramm«, schräge Wände, Lichtinseln in den Ecken – der Besucher befindet sich zwischen zwei Video-Monitoren und wird von der Illusion überwältigt, der Raum fange zu schlingern, zu drehen und zu kreisen an …
aus: »Räume sind Träume« von Friedrich Geyrhofer. Wiener , August 84